Schloss Hellenstein im Sommer

Stadtgeschichte

Die ältesten Zeugnisse menschlicher Anwesenheit im Gebiet der modernen Stadt Heidenheim sind etwa 80.000 Jahre alt. Eine kontinuierliche Besiedlung dürfte nach den archäologischen Befunden jedoch erst seit der Spätbronzezeit um etwa 1.300 v. Chr. eingesetzt haben. Die nachfolgende Urnenfelderepoche (ca. 1.200 - 750 v. Chr.) ist durch umfangreiche Siedlungsreste in Heidenheim und Schnaitheim belegt.

Ausgedehnte hallstattzeitliche Grabhügelfelder lassen darauf schließen, dass insbesondere die nähere Umgebung Heidenheims vom 8. bis zum 5. vorchristlichen Jahrhundert frühe keltische Bewohner sah: In den Seewiesen zwischen Heidenheim und Schnaitheim, im Wald Scheiterhau westlich von Mergelstetten, im Wald Badhäule östlich von Großkuchen und zwischen Kleinkuchen und Nattheim finden sich diese Friedhöfe. Mit Ausnahme des inzwischen überbauten Seewiesen-Grabhügelfeldes lassen sich die genannten Bodendenkmale noch heute ohne Schwierigkeiten im Gelände entdecken. Ein Teil der Funde, darunter auch die typischen schwarzverzierten Keramikgefäße der sogenannten Ostalbgruppe, können im Museum Schloss Hellenstein besichtigt werden. Eine sehr gut erhaltene spätkeltische Viereckschanze des 2. oder 1. vorchristlichen Jahrhunderts birgt der Wald Röserhau zwischen Schnaitheim und Kleinkuchen. Zwei weitere dieser als Versammlungsplätze und Gutshöfe gedeuteten, annähernd quadratischen Erdwerke liegen im Lehrhau östlich von Mergelstetten und süd-südwestlich von Kleinkuchen.

Etwa um das Jahr 100 n. Chr. errichteten die Römer in Heidenheim ein Steinkastell. Die 5,2 ha große Anlage, Teil des sogenannten Alblimes, bedeckte eine Fläche, die heute ungefähr von der westlichen Brenzstraße, der Karlstraße, der Paulinenstraße und einer gedachten Linie zwischen der Ostseite des Hellenstein-Gymnasiums und dem Amtsgericht umschlossen wird. Das Militärlager beherbergte die Ala II Flavia milliaria, eine Reitereinheit mit einer Sollstärke von 1.000 Mann. Zahlreiche Funde belegen, dass bereits in jener Zeit der Totenberg als Bestattungsplatz diente. Im Zuge der letzten Grenzkorrektur des obergermanisch-raetischen Limes wurde die Truppe um das Jahr 150 ins neuerbaute Kastell Aalen nordwärts vorverlegt. Diese Maßnahme bedeutete jedoch keineswegs das Ende der mittlerweile außerhalb des Kastells entstandenen Zivilsiedlung. Die archäologischen Quellen lassen vielmehr den Schluss zu, dass sich das römische Heidenheim zu einer wichtigen Ortschaft im Nordwesten der römischen Provinz Raetien entwickelt hatte. Die reichen Bohnerzvorkommen der Umgebung sowie die verkehrsgünstige Lage mögen entscheidende wachstumsfördernde Faktoren gewesen sein.

Erst die Jahre um 259/260, als die Alamannen die bisherige Nordostgrenze des Imperium Romanum endgültig überwanden, brachten auch das Ende der römischen Epoche Heidenheims. Im Museum im Römerbad, Ecke Theodor-Heuss-Straße/Friedrichstraße, ist sie dokumentiert. Für die nächsten Jahrhunderte geben die Quellen nur spärliche Auskunft. Allenfalls lassen ein in der Nordwestecke des ehemaligen Kastells kurz vor 350 vergrabener Hort aus 77 Bronzemünzen sowie Pfostenbauten den Schluss zu, dass sich versprengte Alamannen oder Römer vorübergehend im Schutz der wohl noch teilweise erhaltenen Mauerreste niedergelassen haben. Das älteste alamannische Dorf dürfte im 5. Jahrhundert an der Brenz zwischen Kastell und Totenberg gegründet worden sein. Südlich der Brenzstraße ist für das 6. Jahrhundert eine fränkische Militärkolonie anzunehmen. Beide Siedlungen wurden vermutlich im 8. Jahrhundert zu einem Dorf vereinigt, das den jetzt erstmals urkundlich erwähnten Namen Heidenheim trug - eine Benennung, die möglicherweise auf die damals noch sichtbaren römischen, d. h. heidnischen Ruinen Bezug nahm oder an einen Heido genannten Alamannen erinnern sollte. Die Pfarrkirche St. Peter stand auf dem Totenberg, der nach wie vor - bis heute - als Begräbnisstätte diente. Das Dorf Heidenheim mit seinen 40 bis 50 Hofstätten fiel vollständig dem Städtekrieg 1449 oder spätestens dem Reichskrieg gegen Bayern 1462 zum Opfer.

Der bis auf die Gegenwart überkommene Flurname Niederhofen sowie entsprechende archäologische Quellen weisen auf eine weitere frühmittelalterliche Siedlung innerhalb der heutigen Heidenheimer Gemarkung hin. Um das 7. Jahrhundert im Bereich der Giengener Straße gegründet, dürfte sie bereits im 13. Jahrhundert wieder aufgegeben worden sein. Die Gründung der Stadt Heidenheim ist im Zusammenhang mit der Erbauung von Burg Hellenstein zu sehen. Die mittelalterliche Stadt entstand als Burgsiedlung und war auch in das Befestigungssystem der Wehranlage auf dem Schlossfelsen eingebunden. Die Stadtmauer, etwa zwischen 1190 und 1420 abschnittweise errichtet, umgab die Siedlung an deren nördlicher, östlicher und südlicher Seite ganz und wurde im Westen bis an den Burgfels herangeführt. Vier Tortürme und sechs Mauertürme sicherten die Anlage. Vor der Stadtmauer lag ein 8 m breiter und etwa 4,50 m tiefer Sohlgraben, in den bei Bedarf Wasser aus dem Stadtbach geleitet werden konnte. Heidenheim bestand im Mittelalter im Wesentlichen aus zwei in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Straßen: Der Vorderen Gasse (heute Hauptstraße) und der Hinteren Gasse; beide waren durch schmale Querwege miteinander verbunden. Die Vordere Gasse, in deren Mitte der Stadtbach floss, bildete in ihrem zentralen Abschnitt den Straßenmarkt. Während die Hintere Gasse vorwiegend Amtshäusern, Beamtenwohnungen und Schulbehausungen vorbehalten blieb, pulsierte in der Vorderen Gasse das Geschäftsleben: Hier wurden Märkte abgehalten, hatten Handwerker ihre Werkstätten und standen die meisten Wirtshäuser. Die Verwaltungs- und Besitzgeschichte von Heidenheim ist ausführlich dargestellt in: Bühler, K.-H., Heidenheim im Mittelalter.

Im Folgenden seien nur die wichtigsten Fakten genannt, die im Wesentlichen auf Dr. Bühlers Arbeit basieren. In Heidenheim lässt sich schon für die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts ein Ammann - oder wie er in späterer Zeit genannt wurde ein Amtmann, Unterpfleger oder Untervogt - nachweisen. Dieser Ammann war der verlängerte Arm des Stadtherrn. Er hatte die Sitzung der „Zwölfer“, d. h. der zwölf Geschworenen des Stadtgerichts zu leiten. In diesem Gremium können wir den Vorläufer unseres modernen Gemeinderats sehen. Zwar erhielt Heidenheim offiziell erst 1356 das Marktrecht durch Kaiser Karl IV. verliehen oder bestätigt, aber die archäologischen und literarischen Quellen erlauben keinen Zweifel an der These, dass Heidenheim bereits seit der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts de facto als Stadt existierte.

Aus den beiden ältesten Salbüchern Heidenheims ist zu entnehmen, dass die Stadt in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts aus 70 Häusern bestand. Im Norden und Osten wuchsen die Obere und Mittlere Vorstadt, ab etwa 1602 kamen auf Anregung Herzog Friedrichs I. von Württemberg die ersten Häuser der Unteren Vorstadt, der späteren Webersiedlung, hinzu. Im Dreißigjährigen Krieg folgten die schlimmsten Jahre für Heidenheim unmittelbar auf die Schlacht von Nördlingen 1634: Hatte die Stadt 1618 etwa 1.000 Bewohner, so zählte man 1648 lediglich noch 463 Personen. Danach allerdings nahm die Bevölkerungszahl fast stetig zu und die Oberamtsbeschreibung von 1844 vermeldet 2.737 Einwohner.

Zunächst hellensteinischer Lehensbesitz wurde Heidenheim seit dem Ende des 12. Jahrhunderts gemeinsam mit der Burg und der gesamten Herrschaft Heidenheim u. a. an die Herren von Gundelfingen und von Rechberg vergeben. Seit 1351 Erblehen der Helfensteiner, kam das Besitztum 1448 bis 1450 erstmals zur Grafschaft Württemberg, wurde dann an Bayern verkauft, gehörte von 1504 bis 1519 wiederum zu Württemberg, von 1521 bis 1536 zu Ulm und blieb danach – von einer nochmaligen bayerischen Episode während des Dreißigjährigen Krieges abgesehen – endgültig württembergisch. In dieser Zeit fasste auch die Reformation im Brenztal Fuß.
Wohl um die Verbundenheit Württembergs mit seiner östlichen Exklave zu zeigen, nahm Herzog Friedrich I. (1593 bis 1608) die Bezeichnung „Herr zu Heidenheim“ in seine Titulatur auf, Herzog Eberhard Ludwig fügte 1707 den Heidenkopf, das Heidenheimer Stadtwappen, dem herzoglichen Wappen ein. 1810 wurde Heidenheim Oberamtsstadt des Oberamts Heidenheim, 1935 Kreisstadt des seit der Gebietsreform von 1938 nahezu unverändert bestehenden Landkreises Heidenheim.

Während der Nazi-Diktatur waren auch die 34 in Heidenheim lebenden Mitbürger jüdischen Glaubens massiven Schikanen und Bedrohungen ausgesetzt. 20 von ihnen konnten sich durch Auswanderung retten, zehn wurden in Konzentrationslager deportiert und – mit einer Ausnahme – dort ermordet. Zwischen 1941 und 1945 befand sich in der Heidenheimer Polizeischule insgesamt anderthalb Jahre lang ein Nebenlager des KZs Dachau, später des KZs Natzweiler. Am 24. April 1945 wurde die Stadt abends kampflos den Amerikanern übergeben, ein paar Stunden zuvor erschossen deutsche Soldaten auf Befehl ihres Hauptmanns aus nichtigem Anlass zwei russische Kriegsgefangene.
Generalfeldmarschall Erwin Rommel wurde in Heidenheim geboren, der Widerstandskämpfer Georg Elser in Hermaringen. Der 2. Weltkrieg forderte aus Heidenheim 1 244 Gefallene und 566 Vermisste.

Heute leben rund 50 000 Einwohner in Heidenheim, das sechs europäische Städtepartnerschaften pflegt und mit QianJiang (VR China) freundschaftliche Kontakte unterhält.

Heidenheims guter Ruf als ostwürttembergisches Wirtschaftszentrum des 19. und 20. Jahrhunderts gründet sich auf Erwerbszweige, deren Wurzeln hier teilweise bis in vorgeschichtliche Zeit reichen. So künden die bereits erwähnten zahlreichen hallstattzeitlichen Grabhügelgruppen von einer dichten Besiedlung im 8. bis 5. vorchristlichen Jahrhundert, die ganz wesentlich von den hiesigen Bohnerzvorkommen motiviert gewesen sein dürfte. Aus der römischen Epoche Heidenheims fand man die Reste einer Gießerei. Steinsetzungen am Nordrand von Heidenheim-Großkuchen werden von den Archäologen als Herdstellen einer fabrikationsmäßigen frühalamannischen Eisenverhüttungsanlage gedeutet. Im 14. Jahrhundert erwähnen erstmals schriftliche Quellen Eisenabbau und -verarbeitung an Kocher und Brenz. Herzog Ulrich von Württemberg verlieh Heidenheim 1511 das Recht zum Abbau von Bohn- und Stuferzen sowie zur Errichtung von Eisenschmieden an der Brenz; um 1630 wurde der erste Heidenheimer Hochofen erbaut. 1819 musste die Eisenverhüttung wegen der übermächtigen Konkurrenz aus Wasseralfingen und dem Rheinland eingestellt werden.

In Gestalt der Weltfirma Johann Matthäus Voith erfolgte seit Mitte des 19. Jahrhunderts der Aufstieg des metallverarbeitenden Gewerbes. Seine Entwicklung wurde am Anfang durch die örtliche Textil- und insbesondere die Papierherstellung begünstigt. Mit ihrem 2006 fertiggestellten Papiertechnologiezentrum führt die Firma Voith diese Tradition bis heute fort, auch wenn die Produktpalette längst um Turbinen, Schiffspropeller und Getriebe erweitert wurde.Der im Brenztal und auf der östlichen Schwäbischen Alb angebaute Flachs bildete die Grundlage für die Leinwandherstellung in Heidenheim. Der Weg vom Flachs zur fertigen Leinwand führte über zahlreiche Stationen, jede für sich eine Erwerbsquelle, um als Beispiel nur die Hausweberei, die Garnsiederei, die Färberei und den seit dem 14. Jahrhundert schriftlich belegten Leinwandhandel in Heidenheim zu nennen. An moderne Wirtschaftsförderungsmaßnahmen erinnert die Initiative Herzog Friedrichs I. zum Bau von Häusern vor dem „Unteren Tor“ für zuzugswillige Weber aus der Umgebung.

Seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts ebnete das importierte Massenprodukt Baumwolle der fabrikmäßigen Textilherstellung den Weg. Die ersten mechanischen Webstühle in Deutschland standen in der 1823 gegründeten Fabrik von Johann Gottlieb Meebold. Unternehmer wie Zoeppritz, Neunhoeffer oder Ploucquet folgten seinem Beispiel. Die Meeboldsche Firma wurde 1856 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, in die „Württembergische Cattunmanufactur Heidenheim/Brenz“ (WCM). Am Ende des 19. Jahrhunderts hatte sie sich zu einer der bedeutendsten Stoffdruckereien und zum dominierenden Fabrikbetrieb in Heidenheim emporgearbeitet.
Paul Hartmann gründete 1867 einen Textilveredelungsbetrieb. 1873 nahm er dort die gewerbliche Herstellung von medizinischer Watte aus entfetteter Baumwolle auf. Das gestaltete sich so erfolgreich, dass sich das Unternehmen bald ganz auf die Herstellung von Verbandstoffen und Medizinartikeln konzentrierte. Heute gehört die Hartmann-Gruppe zu den Marktführern ihrer Branche.

Bis ins 16. Jahrhundert lässt sich die hiesige Papierherstellung zurückverfolgen: 1530 errichtete die Stadt eine Papiermühle an der Brenz; 1539 wurde hier Papier mit dem seit 1486 nachgewiesenen Heidenheimer Stadtwappen produziert. Von Friedrich Keller erwarb Heinrich Voelter jun. 1846 dessen noch unvollkommene Erfindung des Holzschliffs, und es gelang ihm, in Zusammenarbeit mit Johann Matthäus Voith die erste brauchbare Holzschleifmaschine zu konstruieren. 1864 allerdings war das Ende der Heidenheimer Papierherstellung gekommen, als Voelters Fabrik abbrannte und die Produktion nach Gerschweiler bei Giengen verlegt wurde.

Auch aus dem Wein- und Salzhandel zwischen Württemberg und Bayern verstand der Umschlagplatz Heidenheim besonders vom 15. bis 18. Jahrhundert Gewinn zu ziehen. Die Tonlager der Umgebung lieferten den Rohstoff für das „Heidenheimer Geschirr“, einem beliebten frühneuzeitlichen Exportartikel. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, seien zumindest noch die bis in unser Jahrhundert sehr zahlreich in Heidenheim vertretenen Brauereien und Gerbereien erwähnt.

(Quelle: Helmut Weimert: Historisches Heidenheim, 2. Aufl. 2006)

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